Jazz Sisters Quartet
im Guntersblumer Museumskeller
22. September 2023
Rezension von Alfred Balz
Wenn der Jazzclub Rheinhessen und der Guntersblumer Kulturverein zum Konzert in den Kleinkunstkeller im Kellerweg einladen, darf das Publikum auf einem besonderen Abend hoffen. Dass Jazzfans zum Lachen in den Keller gehen, trifft in diesem Fall ausnahmsweise zu, denn gelacht wurde an diesem Abend viel. Das Frankfurter Jazz Sisters Quartet hatte die musikalischen Kochversuche seiner Sängerin Juliane Schaper mitgebracht, die sie an diesem Abend Gericht für Gericht musikalisch umsetzten. Juliane Schaper besang dabei nicht nur ihre unkonventionellen Kochrezepte, sie bot auch eine köstliche Moderation, die dem Publikum perfekt mundete und zu Lachsalven animierte.
Mit Jump von Van Halen gab es schon mal einen Vorgeschmack dessen, was da noch kommen sollte. Internationale Hits aus Pop, Soul und Jazz werden komplett entkernt und im neuen Soundgewand mit Texten aus dem Bereich des Backens, Kochens und der Kulinarik veredelt. Das Ergebnis ist ein wohlschmeckender Eintopf unterschiedlichster Koch- und Musikkünste, die dennoch perfekt harmonieren. War „Jump“ noch die Rache am kleinen Bruder, den Song als coolen Swingshuffle im Sinatra Stil darzubieten, so bekam „Leaving on a jetplane“ ein ironisches funky Souljazz Gewand mit psychedelischem Gitarrensolo von Katrin Zurborg. Komplettiert wird die Band durch Nina Hacker am Kontrabass und Uta Wagner am Schlagzeug. Die Quartett-Besetzung mit Stimme, Gitarre, Bass und Drums wird kongenial durch den mehrstimmigen Background-Gesang der Bandkolleginnen ergänzt.
Nach durchzechter Nacht gibt es morgens „Eggs & Sausage“ nach Tom Waits als geradlinigen Rocker mit schrägem Gitarrensolo und Sprechgesang. Rührei mit Wurst oder Schinken ist zweifelsohne nicht der schlechteste Tagesbeginn, aber es geht auch üppiger. Wie wäre es beispielsweise mit einer „Pasta Italiana“ mit viel Salsa und reichlich südlichem Temperament oder Paul Chambers „Raviology“ als Bop mit Scatgesang in der urigen Version der Bassisten Nina Hacker: „Boiled, baked or fried, salty or sweet – people all over the world love ravioli!“
Lediglich Schapers Nina Simone Hommage „My baby just cares for soup“ kommt ohne große musikalische Veränderungen daher. Allerdings wurde der Rhythmus etwas verändert und natürlich der Text, in dem es darum geht, dass auch Suppen und Eintöpfe ein respektables Gericht abgeben können. Der Liebste löffelt halt lieber, als dass er vornehm mit Messer und Gabel diniert.
Wobei wir mit „What´s pie“ von den Four Non Blondes bei den Kuchen angekommen wären, die Königsdisziplin der Hausfrau, nicht nur bei Kindergeburtstagen. Sängerin Juliane betet jeden Backtag für eine neue süße Versuchung in ihren Tortenkreationen. Cool und laidback geht es im Hessischen zu. In Frankfurter platt und mit Scatgesang besingt sie die legendäre „Grie Soß“ mit Kartoffeln und Ei – weiter brauchst du nichts dabei, mal abgesehen vom gespritzten Äppler. Dabei vermittelt Juliane Schaper in verständlicher Mundart das Frankfurter Originalrezept, das man auch dem Booklet der gerade erschienenen CD „Cookin´“ nebst anderen Rezepten entnehmen kann.
Natürlich geht man zwischen den Gängen auch mal eine rauchen, sonst wäre die Völlerei zu anstrengend. Das lässt sich am besten bei einem französischen Chanson, dem perfekten Zigarettenmoment, realisieren. Das Kazoo-Solo hätte die Sängerin mit ihrer Stimme wohl besser hingekriegt. Da jede Musikerin ihre Lieblingsspeise einbringen soll, bekommt auch Gitarristin Katrin Zurborg ihren besonderen Pfannkuchen Moment: Da passt fast alles drauf! Als Bossa Nova mit ungeraden Takten und spannenden Akkordprogressionen lehnt sie sich dabei ziemlich weit hinaus. Dennoch bleibt das Stück gesanglich dicht am Bossa Nova und entwickelt Ohrwurmqualitäten – vielleicht das interessanteste Stück des Abends mit ungewöhnlichen Akkordprogressionen.
Für die vier Musikerinnen des Jazz Sisters Quartet gibt es keine Genregrenzen. Sie spielen ihre und des Publikums Lieblingslieder, und dabei ist es nicht wichtig, wie sie mal geklungen haben. Aus dem Swing-Standard machen sie eine Funk-Nummer, ein ehemaliger Pop-Hit wird zum Jazz-Walzer, der Rock-Klassiker erklingt in satten Latin-Rhythmen. Virtuos und mit großer Spielfreude entdecken die Jazz Sisters alte, neue, bekannte und vergessene Songs und verleihen ihnen ihren ganz eigenen Sound. Damit waren sie nicht nur in Jazzclubs, sondern auch auf dem Mittelrhein Musikfestival oder der Landesgartenschau Fulda 2023 der Publikumsliebling.
Kennengelernt haben sich Juliane, Nina und Katrin während ihres Jazzstudiums. Dass im Anschluss alle nach Frankfurt zogen, nahm man zum Anlass gemeinsam zu spielen. Am Schlagzeug komplettierte Uta Wagner schnell das Quartett. Mal kraftvoll, mal einfühlsam, mal leise, mal temperamentvoll mit Herzblut und vollem Einsatz geht ihre Musik direkt in Herz und Gemüt ihrer Zuhörer.
Als Nachschlag gibt es an diesem Abend noch den veritablen Rocker „These boots are made for walking“ und mit „Fly away little bird. Your house is on fire and your children are all alone“ gibt es einen denkwürdigen stimmungsvollen Ausklang.