Florian Werther Quartett mit „Innenstadtjazz“
im Guntersblumer Kulturkeller
Eine Rezension von Alfred Balz, Guntersblum
„Innenstadtjazz“ nennt der vielbeschäftigte Bassist Florian Werther seine erste CD unter eigenem Namen. Auf dem Cover geht es recht sportlich zu. Immerhin ist er mal mit und mal ohne Kontrabass auf dem Fahrrad unterwegs. In der Mainzer Innenstadt, in der er auch lebt, mag das noch angehen. Für seine ausgiebigen Konzertreisen, die ihn diesmal in den Guntersblumer Museumskeller im Kellerweg führten, ist dann schon ein größerer Van erforderlich. Immerhin ist er mit Verstärker, Kontrabass und Fender E-Bass unterwegs. Und auch die Mitmusiker seines Quartetts Stefan Kowollik (E-Gitarre), Jens Biehl (Schlagzeug) und Heiko Hubmann (Trompete & Flügelhorn) benötigen Stauraum für ihre Instrumente und Verstärker. Im Kulturkeller ausgepackt klingt das dann ziemlich frisch, vielseitig und funky. Immerhin sind alle vier Musiker seit Jahrzehnten im Business und zählen zu den Besten im Rhein-Main Gebiet auf ihrem Instrument.
Vertrackt und funky beginnt die Eröffnung mit reichlich WahWah Gitarre, die später in Swing mit Walking Bass, Ride Becken und einer alles übertönenden melodisch gespielten Trompete mündet. Seltsame Titel haben alle Musikstücke. Und an den witzigen Ansagen Werthers ist ein Entertainer verloren gegangen. Laut Bandleader besteht „Die Nacht der Gewohnheit“ aus drei Takten Foxtrott und einem Walzertakt, was für Nichttänzer nicht so leicht auszumachen ist. Über Lateinamerikanischen Jazz mit einem Schuss Fado freut sich „Der Wackeldackel“, der tatsächlich so klingt, wie er heißt. Ungerade Metren treffen entspanntes melodisches Unisonospiel. Neben interessanten Soli von Gitarre und Trompete weiß der wacklige Straßenköter das Publikum mit unbändigen Bewegungsdrang zu packen. „Stringtango“ ist danach eine eher melancholische Ballade, deren elegisches Gitarrenspiel Kowolliks und das mit Händen und Fingern gespielte Schlagwerk fast schon meditative Kontemplation bietet. Bebop-Phrasen auf der Trompete sind bei „Der verrückte Professor“ zu hören, bevor es auf der Gitarre in melodischere Gefilde geht. Ein rauschendes Drumsolo zu ostinaten Bassfiguren bringt reichlich Stimmung in den ausverkauften Kleinkunstkeller.
Namensgeber und Bandleader Florian Werther kann auf über ein Viertel Jahrhundert Bühnenerfahrung zurückblicken (Studium der klassischen Gitarre am Mainzer Konservatorium und Jazzkontrabass-Studium an den Musikhochschulen in Mainz und Köln). Er ist ein vielseitiger flexibler Musiker, der auf kreative Weise mühelos den Spagat zwischen Improvisierter Musik und gelegentlichen Bassspiels im Landespolizeiorchesters Rheinland-Pfalz meistert. Zur Musik sagt er: „Ob im Duo, in einer Combo oder als Teil der Rhythmusgruppe eines großen Ensembles – Groove bedeutet für mich immer im Team zu spielen.“
„Die Nacht der Gewohnheit“ kann mit gestopfter Trompete und flotten Rhythmen aufwarten bevor „Alle Wege führen Home“ tatsächlich so klingt wie es heißt: Da kommt jemand nach harter Arbeit musikalisch nach Hause und legt erstmal die Beine hoch.
Nach der Pause ist ohnehin alles ganz anders. „Old Sweat“ ist von dem Minima-Funk „Cold Sweat“ von James Brown inspiriert und gerät mit Fender Bass zum funky Jazzrock Überflieger. „Dreimal schwarzer Kater“ beginnt mit knappen nervösen Gitarrenakkorden u einer ostinaten Trompetenmelodie, bevor ein Rumba ähnlicher Latin-Rhythmus das Publikum abholt.
Drummer Jens Biehl ist wohl der älteste Musiker im Bunde. Seit 35 Jahren spielt er in den verschiedensten Bands. 1992 bis 1997 studierte er Jazz und Popularmusik in der Frankfurter Musikwerkstatt. Er hat mit den Größen des europäischen Jazz Charlie Mariano, George Gruntz, Tony Lakatos und Herb Geller ebenso gespielt, wie mit Bill Ramsey, Madeline Bell, der HR-Bigband oder dem Tigerpalast Ensemble.
Fast ebenso lang ist Heiko Hubmann einer der besten und meist beschäftigten Jazztrompeter des Landes, was seine eindrucksvolle musikalische Biographie zeigt. Bereits in den Neunzigern war er Mitglied des Landesjugendjazzorchesters Rheinland-Pfalz. Seit 2002 ist er als Lehrer an zahlreichen Musikschulen tätig und arbeitet neben seinen zahlreichen Engagements als Dozent an der Frankfurter Musikwerkstatt.
Ob es klug war, das bierselige „Die Hopfung stirbt zuletzt“ in einer Weinbaugemeinde als letztes Stück vor der Zugabe zu spielen, sei dahingestellt. Es ist das Paradestück des Schlagzeugers Jens Biehl, der damit ein halbes Swing- und Salsa Percussion- und Drumset ersetzt. Stefan Kowollik wandelt gewitzt und fingerfertig auf den Spuren Pat Methenys, während Hubmann Miles Davis´ Stakkatospiel auf der Trompete nacheifert. Im treibenden „Frühlingsgewühle“ lässt Kowollik auch mal den Rockgitarristen aus dem Käfig, was der Band gar nicht mal so schlecht steht.
Auch Gitarrist Stefan Kowollik ist mit zahlreichen Jazzkapellen aus dem Rhein-Main Gebiet unterwegs, spielte mit beispielsweise mit Wolfgang Dauner und Gunter Hampel und ist ebenfalls als Lehrer und Dozent tätig. Das Abschiedsstück „Sco-wollik“ ist denn auch eine verspielte Hommage an John Scofield,
Die kompositorischen Ideen des Bandchefs Florian Werther sind stets originell, humorvoll, lässig, schwebend, funky und gerne mit ungeraden Rhythmen, was für die exzellenten Mitmusiker eine stetige Inspirationsquelle ist.