Guntersblumer Museum im Kellerweg

Verein zur Erhaltung Guntersblumer Kulturgutes e.V.

Literatur über Guntersblum

Ortsgeschichte von Guntersblum

Titelseite Die jüdische Gemeinde Guntersblum - von den Anfängen bis zur Vernichtung durch den Nationalsozialismus

Die jüdische Gemeinde Guntersblum
von den Anfängen
bis zur Vernichtung durch den Nationalsozialismus
herausgegeben von
Dieter Michaelis
Guntersblum
im Eigenverlag
im Jahr 1998, 109 Seiten

Vorwort des Verfassers

Guntersblum ist ein Dorf in Rheinhessen, ungefähr in der Mitte zwischen Mainz und Worms, am Rhein. In früheren Zeiten lebten die Bewohner überwiegend vom Acker- und Weinbau. Während des "Dritten Reiches" hatte Guntersblum ca. 2.700 Einwohner, jetzt ca. 3900. Ortsherren waren seit dem Mittelalter Leininger Grafen. Verschiedene Linien des weitverzweigten Grafengeschlechts regierten das Dorf bis 1796 oder 1797. Dann wurden sie durch das französische Revolutionsheer verdrängt. Nach den Wirren der Revolutionskriege gehörte Guntersblum bis 1918 zur Provinz Rheinhessen im Großherzogtum Hessen-Darmstadt.

1994 faßte der Guntersblumer Gemeinderat den Beschluß, zum1100jährigen Ortsjubiläum im Jahr 1997 ein Buch herauszugeben mit dem Titel "Guntersblumer Geschichte(n)". Darin wurden bisher noch nicht erforschte Bereiche der Ortsgeschichte dargestellt. Ich habe an dem Buch mitgearbeitet und in mehreren Kapiteln die Geschichte der jüdischen Gemeinde berührt. Dem Untergang der Gemeinde im "Dritten Reich" widmete ich ein eigenes Kapitel. Dabei wurde mir deutlich, daß Geschichte und Ende der Guntersblumer israelitischen Gemeinde im Rahmen der "Guntersblumer Geschichte(n)" nicht in der Breite und Tiefe berichtet werden können, wie dies auf Grund des vorliegenden Archivmaterials und umfangreicher Zeitzeugenberichte angemessen wäre.

Ich kann auch jetzt nicht mit einer lückenlosen Darstellung dienen, weil sich viele Vorgänge heute nicht mehr klären und rekonstruieren lassen. Vielleicht ist nach dem Verkauf der Synagoge 1938 an einen Guntersblumer Bürger das dort noch vorhandene Archivmaterial in Altpapiersammlungen untergegangen, vielleicht hatte die Gemeinde aber auch keine alten Archivalien aufgehoben. Die Erinnerungen der Zeitzeugen an die Geschehnisse zwischen 1933 und 1945 sind jetzt, rund 60 Jahre später, lückenhaft und unscharf. Dennoch liegt mir eine solche Fülle verwertbaren Materials vor, daß ich mich verpflichtet fühle, das in den "Guntersblumer Geschichte(n)" Berichtete zu ergänzen, durch den historischen Kontext deutlicher zu kommentieren und auch zu berichtigen. Das Ergebnis ist die hier vorliegende Arbeit.

Zu einigen Guntersblumer Überlebenden des Holocaust oder deren Nachkommen - sie leben jetzt alle im Ausland - konnte ich enge Kontakte knüpfen. So kam ich zu der Überzeugung, wir seien es auch ihnen und ihren ermordeten Angehörigen schuldig, die traurige Vergangenheit ihrer Gemeinde und ihrer Familien aus der Sicht des Historikers zu erforschen und zu veröffentlichen.

Diesen "selbst betroffenen" Zeugen weiß ich mich in besonderer Dankbarkeit verbunden, weil sie mir durch umfangreiche Korrespondenz, durch Telefonate und sogar persönliche Besuche in Guntersblum vielfältige Einblicke gewährten in die Zerstörung der israelitischen Gemeinde. Als besonders engagierte und hilfreiche Informantin möchte ich hier Frau Dena Romero, geb. Rüb, in Hanover, NH, USA, erwähnen. Mir wurden zahlreiche Briefe zugänglich gemacht, die Guntersblumer Juden in größter Bedrängnis in den Jahren 1938/39 an schon ausgewanderte Verwandte und Freunde geschrieben haben. Auch konnte ich Einsicht nehmen in den Bericht Ludwig Liebmanns über die schweren Mißhandlungen, die er und sechs weitere Juden am 10.11.1938 durch Guntersblumer Bürger erleiden mußten; ferner erhielt ich Tonbandaufzeichnungen aus den Jahren bald nach der Auswanderung - oder auch erst vor wenigen Jahren aufgenommen - , die intensiver als Geschriebenes das Schreckliche der damaligen Erlebnisse nachempfinden lassen und auch die Art und Weise, wie stark es Jahre danach Seelen und Erinnerungen geprägt hat; schließlich habe ich viele Fotos aus den 20er und 30er Jahren, größtenteils aufgenommen vom Fotografen Emil Rüb, der kurz vor der "Reichskristallnacht" nach Amerika auswandern konnte.

Herr Oberstudiendirektor i.R. Hans Jakob Schmitt / Guntersblum ließ mich teilhaben an den guten persönlichen Beziehungen seiner Familie zu mehreren ausgewanderten Guntersblumer Juden, so daß es mühelos zu gutem und intensivem Gedankenaustausch zwischen ihnen und mir kam.

Dankbar bin ich dem Grundbuchamt Mainz, das die Bestände des früheren Grundbuchamtes Oppenheim verwaltet. Ich durfte alle Vorgänge auswerten, welche die Liegenschaften der israelitischen Gemeinde betreffen. Die Verbandsgemeindeverwaltung Guntersblum gab bereitwillig Auskünfte zu jüdischen Einzelschicksalen aus den Famüienstandsregistern, und die Stadtverwaltung Oppenheim ließ mich die reiche "Fundgrube" ihres Zeitungsarchivs "ausbeuten", im Landesarchiv Speyer konnte ich wichtige Archivalien für die Zeit von 1700 -1940 bearbeiten. Die Guntersblumer Heimatforscherin Karin Holl, jetzt in Mühlheim bei Grünstadt/Pfalz, teilte mir freundlicherweise mit, was sie zur Synagoge und zu den Rabbinern des 18. Jahrhunderts im Fürstlich Leiningischen Archiv in Amorbach "gefunden" hat. Ich selbst habe in Amorbach keine Nachforschungen angestellt. Die Bezirksregierung Rheinhessen/Pfalz in Neustadt/Weinstraße stellte ihr umfangreiches Aktemnaterial zum Guntersblumer jüdischen Friedhof zur Verfügung. Schließlich bin ich dem jüdischen Museum Frankfurt für zuvorkommende Beratung sehr dankbar, desgleichen dem United States Holocaust Memorial Museum in Washington, der Verwaltung des Holocaustmuseums Yad Vashem in Jerusalem und dem Leo Baeck Institute New York. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landesamtes für Denkmalpflege Mainz kamen nach Guntersblum, um durch Recherchen vor Ort meine Arbeit zu unterstützen.

Diese erfuhr auch fachkundige Beratung durch Herrn Prof. Dr. Dr. Otto Böcher, Universität Mainz, insbesondere durch wichtige Informationen zum Kapitel "Judenbad - Frauenbad". Der jetzige Besitzer der Synagoge und die Bewohner der ehemaligen jüdischen Schule ermöglichten sehr entgegenkommend häufige Erkundigungen an und in ihren Gebäuden. Der Guntersblumer Grafiker Peter Liebmann gestattete den Abdruck seiner Rekonstruktionen der Synagoge, die er für die "Guntersblumer Geschichte(n)" angefertigt hatte.

Es war alles in allem äußerst erfreulich und ermutigend, diese verständnisvolle und tatkräftige Hilfsbereitschaft zu erfahren angesichts einer so "sensiblen" Thematik, jetzt, zwei Generationen nach den unsagbar furchtbaren Ereignissen während des "Dritten Reiches".